Geschichten aus dem Rathaus Politische Themen

Veröffentlicht am 10. Juli 2020 von Torge Heinisch

Der Wilhelmshavener Stadtrat wurde im Herbst 2016 in seiner jetzigen Zusammenstellung gewählt. Auch die sehr gute Parte Die PARTEI zog mit ihrem 2. Vorsitzenden Andreas Tönjes in den neuen Stadtrat ein. Einer der Ziele unseres Genossen war es mehr Transparenz in den Rat der Stadt zu bringen. Es folgten bis zum heutigen Zeitpunkt daher insgesamt vier Anträge (2x PARTEI, 1x FDP, 1x Gruppe GUS, der auch wir angehören) die es ermöglichen sollten, dass Ratssitzungen fortan ins Internet gestreamt werden.

Die Wilhelmshavener Ratssitzungen finden mittwochs ab 16 Uhr statt. Wie wir finden, ist das eine sehr arbeitnehmer-unfreundliche Zeit. Entweder muss zu diesem Zeitpunkt noch gearbeitet werden, oder man ist soeben zuhause angekommen und versucht in den Feierabend zu rutschen. Aber auch Familien-Mütter und –Väter haben es mit ihrem harten Job der Kindererziehung nicht immer leicht, eine Teilnahme an den eigentlich öffentlichen Sitzungen teilzunehmen.

Die Welt ist längst im Informationszeitalter angekommen. Viele Städte und Gemeinden haben es daher längst umgesetzt, die Sitzungen wirklich öffentlich stattfinden zu lassen und streamen längst. Der Rat der Stadt Wilhelmshaven hat dies jedoch immer erfolgreich verhindern können. Insbesondere mit den Stimmen der cDU und sPD-Fraktionen.

Die PARTEI hat daher bereits vor Monaten beschlossen anderweitig diesen Job zu übernehmen und für Transparenz zu sorgen. Es ist immer das eine oder andere Mitglied der PARTEI mit im Zuschauerraum, also warum sollten wir das was wir vor Ort an Polit-Theater geboten bekommen nicht ohne großen Zeitverlust mit dem Rest der Stadt teilen? Die Idee des Ratstickers war geboren und wurde prompt umgesetzt.

Früh war klar, dass die Live-Berichterstattung kein leichtes Spiel ist. Der Verantwortliche muss teils hitzigen Debatten folgen, die gesprochenen Worte verstehen und zeitgleich kurzfassen um sie inhaltsgetreu und wertfrei im Ticker widerzugeben. Mit dem Smartphone fast undenkbar. Um die Qualität zu steigern sind wir daher technisch etwas weiter gegangen und haben angefangen mit Notebook und Tablet mit Tastatur zu arbeiten. Eine große Erleichterung, allerdings benötigt man zum ergonomischen arbeiten auch etwas Platz. Im Idealfall einen Tisch.

Der Ticker erfreute sich bereits zu diesem Zeitpunkt einer großen Beliebtheit unter den Wilhelmshavener Bürgern. Innerhalb zweier Ratssitzungen stieg die Abonnentenzahl auf über 100 Bürger an. Die Auswertungen aus Telegram zeigen, dass in der Tat sogar deutlich mehr dem Ticker folgen, als ihn abonniert haben. Aus diesem Grund und mit der klaren Bestätigung, dass die Wilhelmshavener Bürger an den Ratssitzungen teilhaben wollen, haben wir daher auf kurzem Dienstweg bei der Verwaltung angefragt, ob es möglich ist, an den Presseplätzen sitzen zu dürfen. Dies wurde bestätigt.

In der Mai-Sitzung war dies im vollen Umfang der Sitzung (knapp fünf Stunden) möglich. Die Qualität des Tickers wurde abermals verbessert und die Zahl der Abonnenten stieg weiter an, auf nun über 150 Bürger. Inzwischen folgen dem Ticker auch Vertreter:innen lokaler Medien in und um Wilhelmshaven.

Nun jedoch der Rückschlag: In der Juni-Sitzung des Stadtrats, bei einem der letzten Tagesordnungspunkte wurde unser Ticker-Vertreter vom Ratsvorsitzenden Stefan Becker darauf angesprochen, dass er hier nicht sitzen dürfe. Nach Rückfrage wurde darauf verwiesen, dass man hier für die PARTEI sitzen würde, es sich aber um Presseplätze handeln würde. Unser Vertreter für die Live-Berichterstattung wurde vom Platz verwiesen und auf die Zuschauertribüne geschickt.

Dies geschah inmitten einer sehr kontroversen Debatte während des Berichts des Oberbürgermeisters Feist, der den Rat darüber informierte, dass er im Namen der Stadt Wilhelmshaven einen „Letter of Intent“ unterschrieben habe. Es ging um die Thematik Eisenhütte, Salzgitter AG.

Nach kurzer Pause konnte jedoch von der Tribüne aus weitergetickert werden, wenn auch unter erschwerten Bedingungen.

Am heutigen Tage, den 10. Juli hat unser Ratsher Andreas Tönjes Herrn Becker, sowie OB Feist angeschrieben:

Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender Becker
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Feist,

hiermit melden wir im Rahmen unserer überparteilichen Berichterstattung einen Medienvertreter an. Wir bitten diesbezüglich um die Zuweisung eines geeigneten

Platzes mit Tisch, um dieser Arbeit nachkommen zu können.

Wir betreiben über den Messengerdienst „Telegram“ und im Internet den Nachrichtendienst „Der RATSTICKER“, der zeitnah aus der aktuellen Ratssitzung, gelegentlich aus den Ausschußsitzungen, kurze Textnachrichten sendet. Diese

Berichterstattung erfreut sich zunehmender Beliebtheit in der Bevölkerung, ist aber auch Quelle für verschiedene Radiostationen in unserer Region. Mit über 150

direkten Abonnenten und 500 Internetseitenzugriffen für aktuell laufende Sitzungen, versorgen wir einen Teil der Bürger:innen sehr schnell mit Informationen. Damit

kommen wir auch unserer grundgesetzlichen Verpflichtung nach, an der Meinungsbildung mitzuwirken.

Sofern Sie Fragen haben, können Sie sich gerne an mich wenden.

Mit freundlichem Gruß

Andreas Tönjes

Kurze Zeit später erhielten wir folgende Antwort:

Sehr geehrter Herr Tönjes,

nach wie vor sehe ich Ihr Parteimitglied nicht als Journalisten an. Ebenso wenig spiegeln Ihre 150 Facebookfans auch nur ansatzweise die Bürgerschaft von Wilhelmshaven da. Es gibt über 300 Wilhelmshaven Gruppen auf Facebook, die weit mehr als 150 „Fans“ haben. Für all‘ diese müsste dann auch Platz geschaffen werden, wenn diese dasselbe Begehren hätten. Aus meiner Sicht ist der Platz für Ihr Parteimitglied auf der Zuschauertribüne ausreichend, deshalb lehne ich Ihr Ansinnen ab.

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Becker

Scheinbar hat Herr Becker den Text missverstanden, da niemand von Facebook sprach. Wäre auch spannend, da unsere Facebook-Seite deutlich mehr Abonnenten hat, als die genannten 150.

Auf diese nicht zufriedenstellende Antwort erwiderten wir zunächst folgendes:

Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender Becker,

ich bedauere Ihre Entscheidung, möchte aber hier nochmal auf unser Anschreiben hinweisen, daß Sie offensichtlich nicht mit der notwendigen Tiefe gelesen haben und ich darf Sie daher bitten, dies doch intensiver nachzuholen und Ihre Entscheidung zu überdenken. Weder erwähnte ich Facebook noch eine Fangemeinde. Wenn es um eine Fangemeinde bei Facebook ginge, wäre die PARTEI Wilhelmshaven die stärkste Fraktion im Rat, von daher verfängt ihre Argumentation so nicht. Auch der Hinweis auf über 300 Gruppen ist irrelevant, da die wenigsten sich mit Politik beschäftigen, sondern eher diese sogar bewußt ausklammern. Auf unser Argument, Quelle für andere Medienvertreter zu sein, die eine sehr viel höhere Reichweite haben, sind sie zudem nicht weiter eingegangen. Ein gute journalistische Arbeit, ist immer auf mehrere Quellen angewiesen, um die Berichterstattung auch verifizieren zu können. Außerdem darf ich an dieser Stelle darauf hinweisen, daß der Begriff „Journalist“ keine geschützte Berufsbezeichnung ist und es letztendlich unerheblich ist, welches Parteibuch der Berichterstatter besitzt. Sofern Begehrlichkeiten weiterer Berichterstatter aufkommen würden, läge es selbstverständlich in Ihrem Ermessen, eine Platzzuweisung vorzunehmen. Da uns aber bisher keine Ambitionen in diese Richtung bekannt sind, wäre es ja aber auch unschädlich für die nächste Ratssitzung eine Platzzuweisung vorzunehmen.    

Mit freundlichen Grüßen

A.Tönjes

Wir lassen dies zunächst recht unkommentiert stehen und berichten an dieser Stelle weiter von den Entwicklungen.